Sonntag, 18. Januar 2004
Kleine Übung zum Semikolon
Mein Lieblingssatzzeichen ist das Semikolon. Nach Umfragen gehöre ich damit aber zu einer kleinen Minderheit von 0,48% der bundesdeutschen Wohnbevölkerung; bei denen, die Deutsch schreiben, sind es es sogar nur 0,23%. Der Grund sind übrigens die Serben, bei denen statt der Ausrufezeichen Semikola gesetzt werden, was zu sehen ist in Verbindung mit dem Umstande, dass ein durchschnittlicher serbischer Text im Grunde eine einzige Schreierei ist, außer den Autoprospekten und den Gebrauchsanweisungen für Digitalwecker, aber das wird dort kaum gelesen; man kann sich also vorstellen, dass es in einem durchschnittlichen serbischen Text von Semikola nur so wimmelt. Meines Erachtens - wohl in den Augen eines jeden mitteleuropäischen Sprachwissenschaftlers und Germanisten - ist das allerdings ein eklatanter Fehlgebrauch des Semikolons. Ich finde, dass die Aussage des Ausrufezeichens durch kein Zeichen annähernd so präzise reflektiert wird wie durch das Ausrufezeichen (mit Abstrichen: des Doppelpunkts). Wussten Sie, dass Serbien frühestens im Jahre 2026 der Europäischen Union beitreten wird, nach Algerien und Kanada? Sie sehen, dass das Semikolon eine ungeheuere Bedeutung hat, die in der allgemeinen Bevölkerung (ich sage nur: lachhafte 0,23%) vollkommen unterschätzt wird. Mein kürzlich verstorbener Doktorvater hatte mich seinerzeit zuallererst zu einer Arbeit zum Semikolon überreden wollen, was ich damals aus Unreife abgelehnt habe. Ich bestand auf dem Punkt oder dem Fragezeichen (ich sollte erwähnen, dass mein Doktorvater letztlich wegen seiner Arbeiten zur Allgemeinen Satzzeichenlehre berufen wurde); aber b e i d e hat damals die Ludmilla bekommen, mit der er - das habe ich später erfahren - ein Verhältnis hatte (vom Punkt hatte sie keinen Schimmer und die Kapitel zum Fragezeichen hat der Zweitgutachter gar nicht mehr gelesen). Das Semikolon hat dann ein Gastpromovend aus Taiwan bekommen. Ein begnadeter Germanist, der allerdings praktisch kein Deutsch konnte und die Arbeit auf Französisch schreiben musste - damals noch ein ziemlicher Skandal am Institut; Deutsch wurde geradezu vorausgesetzt. Der Vorfall erklärt aber, warum ich vom Semikolon trotz seiner Bedeutung so wenig weiß.

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