Montag, 7. Juni 2004
Im Laotischen wird das "F"
wie "O" ausgesprochen. Ja, dieses Sachverhalts können wir uns jetzt annehmen, nachdem wir die Besonderheiten des Bewirtungswesens des Landes zunächst abgehandelt haben, in ganz vorläufiger Weise nur, gewiss, doch haben wir einem ersten Beitrag zu dieser furchtbar schwierigen Materie alsbald eine kleine Bemerkung dazu anschlossen, wie das bewirtungssuchende Publikum in jenem fernen Land nach dem Herkommen über die Preise der dargebotenen Speisen unterrichtet wird; von alledem braucht hier heute einstweilen nicht mehr zu handeln sein, obwohl dazu in der Tat bisher das Allermindeste nur gesagt ist und eine Vertiefung - das ist für jedermann offenkundig - demnächt stattfinden muss; das ist ganz und gar unerlässlich.

Es geht heute vielmehr - wie die einleitenden Worte schon begreiflich zu machen versucht haben - ausschließlich um diese dem ungeübten europäischen Ohr geradezu unerträgliche Art, in welcher der Laote den Buchstaben "F" ausspricht (der übrigens ganz ähnlich wie unser kleines "j" geschrieben wird, jedenfalls in der Schreibschrift, wie sie im wohlhabenden Norden des Landes von der Geistlichkeit praktiziert wird), also unserem "O" ähnlich, einem schwach gehauchten "O" allerdings, das bei oberflächlichem Hinhören für ein "Ar" ganz und gar missverstanden werden kann, vor allem dann, wenn Außengeräusche von vermehrter Wahrnehmbarkeit (wie das Dröhnen von Flugzeugmotoren oder ganz allgemein Geräusche an verkehrsreichen Plätzen) die gesunde Entfaltung des Lautes von der Kehle des Sprechers in Richtung auf das Ohr des Hörers unziemlich stören, einem solchermaßen gehauchten "O", das ein Kenner des Laotischen in seinem maßgeblichen Werk über diese Sprache dahin beschreibt, dass das Stöhnen schwer fiebriger und aufgrund dieses Zustands mittelmäßig ermatteter etwa Fünfzigjähriger von dem hier betrachteten Laut eine durchaus treffende Vorstellung vermittele (der Kenner gilt allerdings als scharfer Kritiker alles Laotischen). Es wird von Ästheten des Klangs als für sehr unglücklich erachtet, dass der Buchstabe "F" im laotischen Alphabet der zweithäufigste ist (jedenfalls nach dem Sprachgebrauch der älteren Schafscherer im nicht so wohlhabenden Süden), was noch einmal mehr ins Gewicht fällt, als dieses Alphabet die Bezeichnung als solches kaum verdient, kennt doch das Laotische insgesamt gerade einmal 17 Buchstaben, die einander überdies erstaunlich ähneln.

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Samstag, 8. Mai 2004
Etwas Dummes und Gesetzloses
will ich denken, jetzt sogleich, rief freudig der Valentin, und die Erlaubnis dazu erteile ich mir selbst. Ich erteile sie mir einfach selbst! Ja, das ist möglich, sagte der Cüriak, wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter denen du dir die Erlaubnis erteilen darfst, etwas Dummes und Gesetzloses zu denken. Prüfe dies sorgfältig, mach' keinen Fehler. Erteil' dir die Erlaubnis nicht vorschnell, und wenn du sie hast, warte ab, bis die Frist zum Einspruch und zu ihrem Widerruf verstrichen sind, sonst machst du davon Gebrauch und denkst Dummes und Gesetzloses und sie wird hernach kassiert - wie stehst du dann da! Du wirst Dummes und Gesetzloses gedacht haben, ohne dass deine Erlaubnis vorlag (denn die erteilte Erlaubnis wird widerrufen sein und vollkommen unbeachtlich, als ob du sie niemals ausgesprochen hättest). Der Valentin erschrak. Er war nahe daran gewesen, sich leichtfertig die Erlaubnis zu erteilen, o h n e sich auch nur um die kleinste Voraussetzung zu kümmern, geschweige denn die wichtigeren und schwierigeren. Es wurde ihm heiß: Nach Entgegennahme des Erlaubnisbescheids hätte er, so kannte er sich, diesen nur ganz flüchtig angesehen - vielleicht nicht einmal bis zum Ende geprüft - und sodann umgehend Dummes und Gesetzloses gedacht, völlig ohne weitere Bedenken, vielleicht ausgesprochen Dummes und eklatant Gesetzloses (wenn ihm denn solches eingefallen wäre), ohne sich den Teufel zu scheren um die Gefahr des Einspruchs und des Widerrufs. Er dankte dem Cüriak überschwenglich für dessen klugen Ratschläge und beschloss, gleich früh am nächsten Tage genau zu prüfen, ob die Voraussetzungen vorlägen. Im Notfall, wenn das schwer zu beurteilen sein würde, würde er sich gründlich beraten lassen.

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Sonntag, 25. April 2004
Eines Abends in den ersten Oktobertagen
Eines Abends in den ersten Oktobertagen des Jahres 1653 saßen in der Schankwirtschaft „Der lusstige Specht“ in Koblenz nahe bei dem churmainzischen Tor vier Männer beieinander, die hatten schon über den ganzen Abend hinweg getrunken und gelacht und über Gott und die Welt gesprochen und allerlei mutige Ideen erwogen und die eine oder andere davon auch, wenn gewiss war, dass das Lärmen an den Nachbartischen dort nicht vernehmen lassen würde, was sie untereinander zu bereden hätten, in raunendem Ton den anderen ins Ohr gesagt, da meinte um die Mitternachtsstunde einer der vier, der schon rot im Gesicht war vom Wein und von der Tollkühnheit, die ihn ergriffen, und rief’s sogar halblaut aus, sich nicht scherend um das Drumherum, und wurde, als er’s gesagt hatte, umgehend totenblass und blickte sich um, ob die Büttel schon hinter ihm stünden und ihn gleich packen und fortschaffen würden, so dass er vor dem Tagwerden auf dem Schafott enden müsse, und die anderen rückten sogleich von ihm ab und hätten wollen fortlaufen, wenn sie nicht allesamt gezittert hätten vor der Ungeheuerlichkeit des Ausgesprochenen, so dass einer seinen Becher umstieß und die Magd herbeilief mit offenem Mund und die ganze Stube verstummte, alle Dortigen verspürend die Starrheit, die unsere vier Leute so plötzlich und auf den Schlag befallen, und wissend, dass hier Großartiges geschehen: „Wir wollen – Gedankenfreiheit.“ Das Wort war schon ganz heiser hervorgestoßen worden, mit der letzten Kraft, die der Mut noch geben kann, bevor die Todesangst ganz die Seele ganz in Besitz genommen hat in einem solchen furchtbaren Augenblick. Aber es war gesagt, der Anspruch war hier und jetzt geboren: Ein jeder sollte bei sich denken dürfen, was er wollte! Jede großjährige Person sollte Auffassungen haben können und Einfälle nach völligem Belieben. Selbst Kindern sollte das gestattet werden. Auch Dummes und Gesetzloses sollte gedacht werden dürfen! Die Narren (von denen aber nicht recht gewusst wurde, was sie dachten und ob sie es taten) sollten die Gedankenfreiheit gleichfalls genießen – und später würde man das „Narrenfreiheit“ heißen – und die Mohren und Chinesen hinter den Bergen und den Meeren. Auf das Gesicht des Zycotá schob sich ein Lächeln, noch bevor die ersten Tränen flossen, der Spannung und der Freude zugleich – der Anspruch war geboren.

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